Freitag, 21. August 2015

Leben im Nichts

Ja, mich gibt's auch noch. Ich renne weiterhin durch Höhen und Tiefen. Die Aufgabe aus Wasserliesch kam, ich sah sie mir an und bekam erstmal einen Rappel. Ich hatte nur Open Office auf dem Rechner installiert und es ist nicht ganz dasselbe, ob man mit Excel arbeitet oder mit dem Tabellenprogramm von Open Office. Speziell dann nicht, wenn es um große Datenmengen geht. Eine Teilaufgabe habe ich gemacht, vor der zweiten kapituliert. Die Aufgabenbeschreibung schien mir nicht zu den Daten zu passen. Und dann die Bewerbung zurückgezogen, weil ich mir auch gar nicht mehr sicher war, ob ich 6-7 Stunden einfach pendeln will jede Woche und schlecht organisierte Daten verwalten will. Das Gespräch war von einer Personalfirma vermittelt worden, die ich aber nicht über diese unglückliche Entwicklung informiert habe. Die Dame, die ja grundsätzlich nett war, erfuhr also erst von der Firma in Wasserliesch davon. Peinlich! Es gab noch ein paar weitere Gespräche. Inzwischen habe ich sicher um die 30 Bewerbungen geschrieben. Klingt nicht viel, aber irgendwie schon, oder? In vielen Fällen kam (noch?) keine Reaktion. Mitte Juli: wieder eine Einladung. Eine Softwarefirma, die für ein großes Autohaus arbeitet. Es geht um den Bereich Telematik: Daten intelligenter Autos. Alles ist etwas schwammig, aber nach dem Gespräch kommt innerhalb von einer Viertelstunde eine Zusage. Wann ich denn anfangen könnte? Mitte August oder Anfang September, schreibe ich zurück. Dann ist wieder drei Tage nichts zu hören. Ich rufe an, werde zurückgerufen. Ob ich auch am 3. August anfangen könnte? Das kommt mir alles etwas zu plötzlich, aber ich sage: wenn es so sein soll, dann soll es so sein! Die Seniorinnen freuen sich mit, andere Freunde ebenfalls. Am ersten Augustwochenende Kurzbesuch von meinen Eltern. Essen gehen mit beiden am Sonntagabend, nur meine Mutter kommt mit zu mir (und bleibt bis zum 4. August vormittags). Sie richtet mir dann auch etwas Essen für den Tag, räumt etwas in der Wohnung auf, ohne darum gebeten worden zu sein. Der 3. August beginnt holprig. Ich bin zu früh losgegangen und trödele an einer Umsteigehaltestelle noch etwas herum. Um neun Uhr soll ich da sein, halb neun hätte ich wohl auch geschafft. Aber ich bin überhaupt nicht vorbereitet. Als ich am Donnerstag zuvor gefragt habe, ob ich irgendwelche Software auf dem Rechner benötige, kommt keine klare Antwort. Ich hatte darauf hingewiesen, daß etwa MS Office nicht installiert ist. Nun bin ich also mit dem Macbook in der Tasche auf dem Weg. Später stellt sich heraus, daß ich besser den Windows-Laptop mitgenommen hätte. Überhaupt bin ich erstmal drei Tage damit beschäftigt, mir Software zu installieren und Zugänge zu beschaffen. Aber das ist noch nicht mal das Schlimmste. Am ersten Tag sind im Raum drei Plätze frei. Ich steuere den in der Ecke an, mache mich dort einigermaßen häuslich. Dann kommt nach der Mittagszeit noch ein Neuer - im Gegensatz zu mir mit einer Festanstellung, weshalb er am Einführungsseminar teilgenommen hat. Und weil es heißt, daß sich ein Dritter, jemand aus dem anderen Raum, zu ihm setzen soll, gebe ich den Platz wieder frei, setze mich zentraler. (Der Raum hat acht Arbeitsplätze an 2x 4 Tischen.) Man sollte meinen, daß ich jetzt mehr in das Geschehen integriert wäre, aber dem ist nicht so. Ich habe irgendwann Zugriff auf die eingehenden Anfragen, kann aber nichts mit ihnen anfangen. Und im Gegensatz zu dem Kollegen habe ich keinen, der mich 1:1 betreut. Ich hab sogar überhaupt keinen, der mich betreut. Und traue mich auch kaum, Fragen zu stellen. Wenn ich es doch tue, kommen knappe Antworten. Und ständig sind die Leute woanders. Ich kann nicht in dieser Situation bleiben, schlafe ein, immer wieder. Am zweiten Tag das erste Gespräch deshalb. Am 4. Tag schlägt die Chefin neue Aufgaben für mich vor. Ich soll Schnittstelle zwischen unserer und einer anderen Abteilung werden. Die Fragen der anderen Abteilung entgegennehmen und verteilen. Wieder erklärt mir niemand wenigstens die Grundlagen. Und wieder schlafe ich tagsüber ein, in Meetings und auch außerhalb. Alle arbeiten, nur ich nicht. Ja, so war das. Zwischendrin bekomme ich kurz Hilfe bei der Einrichtung von etwas, dann wird genau diese wieder unterbrochen, der Mitarbeiter wendet sich einer anderen seiner 4 Baustellen zu. Am vierten Tag kommt auch endlich mein Vertrag. Neun oder zehn Softwareprodukte sind darin aufgelistet, die, so erklärt mir die Chefin dann immerhin doch, ich bis Ende des Jahres betreuen können soll. Ich denke in dem Moment, daß es ja nun endlich eine Struktur gibt, an der ich mich orientieren kann. Können sollte. Aber einfach ein Softwareprodukt nach dem anderen abarbeiten ist nicht. Ich kann mich in der Atmosphäre nicht konzentrieren, gehe schon am zweiten Montag gefrustet und zu spät hin. Schlafe mehr, als ich zum Lesen oder anderem komme. Am Dienstagnachmittag sagt die Chefin, so geht's nicht. Nicht mit meiner Einschlaferei und nicht in der angespannten Situation, in der ihre Abteilung ist. Man hätte jemanden gewollt, der gleich Arbeit abnimmt, zu möglichst 100% mitarbeitet. Im Frühjahr hätte man mich noch gut einarbeiten können. Es klingt wie eine schlechte Entschuldigung. Ich gebe also den Schlüssel wieder ab, packe meine Hardware ein und verabschiede mich hastig. Einige der Jungs sind schon wieder unterwegs, also wird es eine kurze Verabschiedung mit nur einem Kollegen, der die Entwicklung nicht ganz versteht. Als ich zu einem anderen Kollegen gehe, der meinen Abschied nur kurz abnickt, ahne ich, woher der Wind weht. Wer hätte gedacht, daß sich hinter einem netten Gesicht soviel Intrige verbergen kann? Die Chefin hatte unbedingt weiblichen Zuwachs in der Abteilung haben wollen ... außer ihr und ihrer Assistenz sind alles Jungs! Ein paar Tage später treffe ich eine der Seniorinnen im Supermarkt. Ich druckse erst herum, rücke dann aber mit der Geschichte raus. Sie fällt aus allen Wolken. Ich dann auch noch mal, aber erst zuhause. Just für diese Woche (10.-14. August) ist auch eine Erprobungswoche bei der Firma Auticon angesetzt. Ich schreibe sofort am Dienstag eine Mail, darf noch dazukommen. Wir sind zu viert (drei Aspies, ein HFA) und lösen verschiedene Aufgaben. Am Mittwochnachmittag geht es zum Schloß Nymphenburg. Wir sollen Fotos machen von Motiven, die uns anziehen, und diese am nächsten Tag vorstellen. Ich gehe mit der anderen Frau mit, wir quatschen viel, entdecken gemeinsame Bekannte. Die Szene der bloggenden Autisten ist klein. Ich bin nicht dazugekommen, so viele Aufgaben zu lösen, wie ich gern hätte, ein- oder zweimal werde ich "vergessen". Bei der Vorstellung der Fotos schlafe ich nach der Hälfte der Zeit wieder ein, bin aber schon wieder bei Bewußtsein, als der Jobcoach die anderen fragt, ob man mich sanft wecken sollte. Und reiße dann selbst meine Fotovorstellung sehr knapp herunter. Am Ende erfahren wir: es ging darum, zu testen, wie wir mit Alltagssituationen umgehen, uns ein paar Tips an die Hand zu geben, Kompensationsmöglichkeiten zu diskutieren. "Niemand erhält eine Absage, aber wir können erst einen Vertrag ausstellen, wenn ein Projekt für Sie existiert. Wenn sich bis etwa Januar nichts ergibt, nehmen wir Sie wieder aus der Kartei." Der HFA fällt aus allen Wolken, versucht, Gliederung in den Plan für die nächsten Monate zu bekommen, wobei der Jobcoach natürlich kaum raten kann. Wir sollen außerdem selbst eine Zertifizierung zum Softwaretester (nach ISTQB) anstreben. Eine Prüfung wird bezahlt, ein Kurs nicht. An dem Punkt fällt jetzt die andere Frau aus allen Wolken, wegen der Kosten ... Fazit: Auticon ist nicht halb so sozial, wie man denken möchte oder hofft. Andere Firmen meldeten sich auch nach einem Jahr noch. Insofern irritieren die "Kuscheltage" eher. Tja, und was Kompensation angeht ... Die andere Frau meint, meine Probleme seien wohl eher depressionsbedingt. Ich erwäge jetzt, mich erstmal krankschreiben zu lassen. Und die letzte Woche? Ging hier herum mit viel Zeit im Bett, Mittwoch und Donnerstag habe ich die Wohnung überhaupt nicht verlassen. Habe immer wieder die bei Youtube verfügbaren Mitschnitte des Films zum Cats-Musical geschaut. Die Lieder nachgesungen. Die Tänze bewundert. Über manche Gesichtsausdrücke gegrinst. Überlegt, ob ich nicht auch wieder Steptanz machen soll und Jazztanz dazu. Das ist eh das einzige, was momentan läuft: der Freizeitbereich. Ich habe mich bei einer Bereitschaft des BRK angemeldet und beim THW ebenfalls. Habe bei letzeren schon wieder einen Übungsabend mitgemacht (es wurde mit Rettungsgeräten "gespielt"). Habe beim Heufest etwas geholfen und beim Indianer- und Trapperfestival (als Betreuung beim Kanufahren, was mir einen freien Eintritt und freie Verpflegung beschert hat). Bin endlich richtig bei Foodsharing registriert. Ich würde vermutlich sofort in die nächste Tanzschule rennen, wenn ich nicht noch eine Geldforderung vom Finanzamt erwarten müßte. Die Inaktivität bringt mich ehrlich gesagt um.